Alles anders, selbst in den kleinsten
Einheiten. Kaum ist ein Wort beim zweiten Buchstaben angekommen,
schon kann man sich nicht sicher sein, wie es denn genau gemeint war.
Die Sätze verdrehen noch in der Hälfte vor dem Punkt ihren Sinn und
offensichtlich ist nichts so, wie es scheint. Elfriede Jelinek hat
Oscar Wildes Theaterstück „An Ideal Husband“ bearbeitet und
daraus mit „Der ideale Mann“ eine beißende Kritik am
Oberflächlichen im Burgtheater kalauert.
Doch will man überhaupt am
Oberflächlichen vorbei in die Tiefe schauen, die Abgründe
entdecken? Jede der Figuren im Stück blendet, tarnt und täuscht,
gibt vor und löst dann anderes ein. So hat der erfolgreiche Sir
Robert Chilten (Michael Maertens) durch illegale Weitergabe von
Informationen sein Vermögen gemacht, gilt aber in der Gesellschaft
und Partei als Saubermann und Vorbild. Seine Frau (Katharina Lorenz),
Charity Lady par excellence, ahnt die Lebenslüge ihres Mannes,
fordert Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit, genießt dennoch den
illegalen Reichtum. Und kaum ist sie selbst in einer schwierigen
Situation, weil ein durchaus zweideutig zu verstehender Brief in
falsche Hände gerät, ist auch bei ihr die Lüge schnell im Mund.
Das Herauswinden aus den Verdrehungen
ergibt viele lustig anmutende Sätze, doch der ernste reale
Hintergrund diverser Skandale in Österreich schwingt immer mit. Und
selbst der Buttler (Peter Matić) gibt ständige etwas vor. Sei es,
dass er zuhört und es doch nicht versteht, oder dass er sein
schweres Gehen zur Schau stellt, in Wirklichkeit aber fit wie ein
Wiesel ist. Falschheit ist keine Eigenschaft von denen da oben.
Wollen es sich alle richten, egal ob Frühpension oder Aktiengewinn
und sei es nur ein Kuraufenthalt? Der große Spiegel links auf der
Bühne gilt uns allen!
Am Schluss rettet dann der scheinbare
Taugenichts Lord Goring (Matthias Matschke) vieles aus der
verfahrenen Situation. Nach den Regeln der Dramaturgie ist er der
Held. Nichts ist eben so wie es scheint, erste Eindrücke erzeugen
gerne falsche Bilder. Der bedeutungsschwere Theaterabend schließt
unerwartet als slapstickreiche Komödie mit Happy End. Man kann auch
wirklich nichts und niemandem trauen!
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