Montag, 9. Dezember 2013

Der ideale Mann

Alles anders, selbst in den kleinsten Einheiten. Kaum ist ein Wort beim zweiten Buchstaben angekommen, schon kann man sich nicht sicher sein, wie es denn genau gemeint war. Die Sätze verdrehen noch in der Hälfte vor dem Punkt ihren Sinn und offensichtlich ist nichts so, wie es scheint. Elfriede Jelinek hat Oscar Wildes Theaterstück „An Ideal Husband“ bearbeitet und daraus mit „Der ideale Mann“ eine beißende Kritik am Oberflächlichen im Burgtheater kalauert.

Doch will man überhaupt am Oberflächlichen vorbei in die Tiefe schauen, die Abgründe entdecken? Jede der Figuren im Stück blendet, tarnt und täuscht, gibt vor und löst dann anderes ein. So hat der erfolgreiche Sir Robert Chilten (Michael Maertens) durch illegale Weitergabe von Informationen sein Vermögen gemacht, gilt aber in der Gesellschaft und Partei als Saubermann und Vorbild. Seine Frau (Katharina Lorenz), Charity Lady par excellence, ahnt die Lebenslüge ihres Mannes, fordert Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit, genießt dennoch den illegalen Reichtum. Und kaum ist sie selbst in einer schwierigen Situation, weil ein durchaus zweideutig zu verstehender Brief in falsche Hände gerät, ist auch bei ihr die Lüge schnell im Mund.

Das Herauswinden aus den Verdrehungen ergibt viele lustig anmutende Sätze, doch der ernste reale Hintergrund diverser Skandale in Österreich schwingt immer mit. Und selbst der Buttler (Peter Matić) gibt ständige etwas vor. Sei es, dass er zuhört und es doch nicht versteht, oder dass er sein schweres Gehen zur Schau stellt, in Wirklichkeit aber fit wie ein Wiesel ist. Falschheit ist keine Eigenschaft von denen da oben. Wollen es sich alle richten, egal ob Frühpension oder Aktiengewinn und sei es nur ein Kuraufenthalt? Der große Spiegel links auf der Bühne gilt uns allen!

Am Schluss rettet dann der scheinbare Taugenichts Lord Goring (Matthias Matschke) vieles aus der verfahrenen Situation. Nach den Regeln der Dramaturgie ist er der Held. Nichts ist eben so wie es scheint, erste Eindrücke erzeugen gerne falsche Bilder. Der bedeutungsschwere Theaterabend schließt unerwartet als slapstickreiche Komödie mit Happy End. Man kann auch wirklich nichts und niemandem trauen!

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