Mittwoch, 19. August 2009

Reisebericht Bali & Singapur

Start der Reise: Unterwegs nach Singapur
Heute ist der Tag des Flughafens. 3 Uhr 30 Aufstehen und mit Julia nach Schwechat fahren. Nach zehn Jahren teilt sich die Familie im Urlaub erstmalig. Julia fliegt nach Texas und wir über Singapur nach Indonesien. Die Müdigkeit ist gewaltig, vielleicht hätten wir gestern nach dem Grillen keine Mochitos mehr schlürfen sollen.

Julia wird gut „aufgegeben“ und wir haben noch den Tag über Zeit zum Packen. Also zurück vom Flughafen nach Wien, zwei Stunden schlafen und dann beginnt das Aufräumen, Hasen versorgen und Koffer befüllen. Natürlich finde ich meine Taucherflossen nicht, Lieblingshosen sind in der Schmutzwäsche und das Buch das ich schon immer im Urlaub lesen wollte ist wie vom Erdboden verschwunden. Interessant ist auch dieses Reisegesetzt: Egal wie viel Zeit man hat, man wird immer in der letzten Sekunde fertig. So auch heute.

Beinfreiheit im Flugzeug dank Sitzplatz vor dem Notausgang. 13 Stunden Flug vergehen sprichwörtlich. Zwei Filme und ein Nickerchen später, haben wir das Gefühl gerade mal in Antalya gelandet zu sein, aber nicht in Singapur. Doch!

Auf der Liste der Superlative können wir nun nach dem Welt größten nun auch das Welt höchste Hotel als Gäste abhaken. The Stampfort überragt den Stephansdom und wir bekommen ein Zimmer ganz oben. Auf Augenhöhe mit drei Überschall-Militärjets. Der 8. August ist Nationalfeiertag in Singapur und dazu gehört auch die Demonstration militärischer Macht. So eindrucksvoll die Jets mit ihrem Donnern, so lustig die marschierenden Truppen unten. Hunderttausend Menschen auf der Straße. Alle warten auf das Feuerwerk. Nach den ersten Leuchtkugeln begeben wir uns auf die Suche nach einem Restaurant. An zweiminütige Rotphasen von Fußgängerampeln muss ich mich erst gewöhnen.

Gänseköpfe, gedörrte Hühnerzungen, rosarotes Schweinefleisch und schwarz-graue Eier. Petra tut sich schwer für heute Abend das richtige Lokal zu wählen. Mehrmals betreten wir eine Speisestätte, doch jedes mal müssen wir die, ob neuer Gäste, verzückten Kellner wieder enttäuschen. So schnell können wir unsere europäischen Gewohnheiten nicht ablegen. Das Essen mit Stäbchen ist eines, doch was dazwischen eingeklemmt wird anderes! Aber wir müssen nicht verhungern. Red Curry und Schrimps mit süßem Chilli sind nun unsere Wahl und wir merken, was hier als süß gilt ist bei uns schon Teil einer Mutprobe. Aber wir sind tapfer, schwitzen beim Essen und putzen brav zusammen. Zum Glück wird das Singapur-Bier in Literflaschen auf den Tisch gestellt.


Tag zwei: Die Welt ist klein
Tag zwei beginnt erst nachmittags. Ich beherrsche mein Handy immer noch nicht und so lässt uns der Wecker bis halb eins schlafen. Wir sind zwar der Mitteleuropäischer Zeit einiges voraus, doch das üppige Frühstück im Hotel hole wir nicht mehr ein.

Auf nach „little India“, dem angeblich noch ursprünglichsten Teil von Singapur. Wir gehen zu Fuß, um die Dimension der Stadt zu ergründen. Hindu-Tempel, Buddha-Tempel und Einkaufs-Tempel, dicht nebeneinander. Kurz erhöhter SMS Verkehr und am Abend treffen wir Familie Kögl. Man hat ja kaum Zeit sich in Rodaun zu unterhalten, also gemeinsames Abendessen in Singapur, die Welt ist klein.


Tag drei: Saubere Stadt und dreckiges Klo
Das National Museum in Singapur steht auf dem Programm. Das Frühstück haben wir dank Petras Wecker erreicht und von der Kalorienmenge auch zugleich Mittag- und Abendessen zu uns genommen : Dim sum, getrockneten Fisch, und viele für uns unaussprechbare asiatische Spezialitäten. Das Museum ist eine multimediale Überraschung. Ein Audioguide führ uns durch 700 Jahre Geschichte von Singapur. Wobei es die Stadt im eigentlichen Sinn erst seit knapp 200 Jahren gibt. Nach zwei Stunden sind wir durchgefroren. Wieder so eine Gesetzmäßigkeit: Klimaanlagen sind prinzipiell um mindestens 5 Grad zu kalt eingestellt. Also raus in die Wärme. Vor der Tür ist die Geschäftsstraße mit der weltweit größten Einkaufszentrumsdichte. Doch bereits nach einer Stunde habe ich genug von diesen Shopping-Center. Next Stopp: China Town in Singapur. Hier finden wir in der angeblich saubersten Stadt der Welt das dreckigste Klo. Urlaub besteht ja meist aus nichts tun, shoppen und essen und sich davon erholen. Also denken wir schon wieder ans Essen.

Entlang des 11km langen Flusses durch Singapur gibt es im Stadtzentrum zwei Lokalmeilen. Gestern hatten wir ja bereits erfolgreich das rechte Ufer, „Clarke Quay“ getestet. Heute ist also „Boat Quay“ links am Ufer an der Reihe. Ein arabischer Bazar ist nichts dagegen. Hunderte Eintreiber versuchen uns ihr Essen einzureden, versprechen Freibier, doppelt Wein oder gar „Half price“. Bei soviel Gastfreundschaft vergeht uns fast der Hunger und etwas überfordert entscheiden wir uns für das letzte, ein indische Lokal. Zum Glück haben wir erst nach dem Essen einen Blick in die Küche geworfen. Diese Flussseite sollte eigentlich „Kloake Quai“ heißen! Also brauchen wir einen Schnaps, oder etwas Ähnliches, dass unseren Magen, oder zumindest unsere Gedanken über Salmonellen, Würmer, Keime, Sporen und Pilze beruhigt. Mit dem Lift geht es in unserem Hotel auf über 200 Meter. Hier in der Cocktailbar direkt über unserem Hotelzimmer haben wir zwar die gleiche Aussicht, wie ein paar Meter tiefer, aber zusätzlich unsere Magendesinfektion, im Form von zwei Caipirinhas.


Tag vier: Von Singapur nach Bali mit Schwierigkeiten
Alles läuft glatt, ein erholsamer Flug in einem fast leeren Flugzeug und dann Zollkontrolle in Bali. Die überall am Flughafen plakatierten Todesstrafandrohungen beziehe ich nicht auf mich, sind wir ja nicht als Drogenkuriere unterwegs. Dennoch befinde ich mich schon wenige Augenblicke später in einem Verhörraum. Wahrheitsgemäß habe ich auf dem Einreiseformular den Wert meiner Videokamera mit 10.000€ angegeben und unsere Laptop (sorry, natürlich ein MacBook Pro) erhöht meinen Wert nochmals um 3.000€. Also besitze ich 12.000€ zu viel an Wertgegenständen. „Ob ich hier arbeiten möchte, ob ich Journalist sei, worüber ich berichte“? Fragen prasseln auf mich ein. „Nein das ist keine TV-Kamera, just for fun, honeymoon anniversary, after 20 years of marriage“, so meine stereotypen aber freundlichen Antworten. Jetzt gehen die misstrauischen Fragen der Zollbeamten eher in die Richtung, welche Art von „privaten“ Filmen ich denn gedenke zu drehen? Fast eine Stunde zähen Verhandelns und Befragens vergehen. Mein Pass wird von vorne bis hinten gecheckt. Dann kommt Bewegung in das Spiel. Ich könnte eine Kaution legen und dürfte dann mit der Kamera einreisen. Zehn Minuten tippt der Beamte in seinen Taschenrechner, schreibt Unmengen an Zahlen auf ein Formular und präsentiert mir dann stolz die Summe, für die in bar zu bezahlende Kaution. 1800$! Ich schaue hilflos, beteuere nicht mehr als 200€ in der Geldtasche und 300€ versteckt in meinem Schuh zu haben. Zum Beweis ziehe ich die Schuhe aus und hole das etwas in Mitleidenschaft gezogene Geld hervor. Doch davon könnte ich nichts hergeben, bedauere ich, ich muss ja die nächsten Wochen auch essen und Hotels bezahlen. Die Mitleidsmasche funktioniert, oder waren es die unansehnlichen Scheine aus dem Schuh? Und da soll noch irgendjemand sagen „Geld stinkt nicht!“. Der Beamte wird weich. „1000$“, „600$“, die Auktion ist ausgerufen. Ich hole nochmals all mein Geld hervor und beteuere, dass das so nicht funktioniert. Ich brauche mein Geld für den Urlaub. Nach über einer Stunde gibt der Zollbeamte auf. Ich soll meine Kamera einfach wieder einpacken, nicht viel reden und an den anderen Beamten unauffällig vorbeigehen. Endlich, Bali ich komme! Ob ich es auch jemals wieder verlassen werde können?

Transfer kann man die drei Minuten vom Flughafen ins Hotel eigentlich nicht nennen. Hier sind wir also zwischengeparkt und warten auf den Start unserer Bali Rundreise morgen Früh. Für Fans von Flugzeugen ein tolles Hotel. Freie Sicht vom Strand auf landende und startende Flugzeuge, alle zehn Minuten. Leider wird es schon finster und ich sehe nur die Lichter der Flugzeuge. Wir essen gut und sind eigentlich sehr müde, ein wenig machen wir uns Sorgen über den Fluglärm – unbegründet! Die zentrale Klimaanlagen unserer wirklich romantischen Herberge übertönt alles.


Tag fünf: Unterwegs nach Ubud
Ein Minibus holt uns pünktlich ab. Straßendörfer ziehen an uns vorbei, dazwischen üppig grüne Reisfelder. Wir lernen ein wenig über balinesische Handwerkskunst: Silberschmied, Holzschnitzer, Stofffärber, … natürlich sind die Verkaufsräume immer größer als die Werkstätten, die wir besuchen. Das Ziel des heutigen Tages ist Ubud.

Ubud hat gefühlte 1000 Geschäfte. Hier ist echt etwas los. Wir umrunden einmal das Dorf und stechen kurz in eine Nebengasse. So laut es in Ubud ist, so leise ist es in den Reisfeldern rund um Ubud. Unser Hotel ist neben dem „Monky Forest“. Wir wagen einen Besuch zu Einbruch der Dunkelheit. Hunderte Affen tummeln sich um uns. In wenigen Minuten wird es Nacht. Wir beschließen eine Wiederkehr morgen Früh bei mehr Licht.


Tag sechs: Von Ubud nach Lovina
Tempel, Reisfelder und üppige Landschaft. Hier hat jedes Haus seinen Haustempel, jedes Dorf mehrere Dorftempel und dann gibt es noch zentrale Heiligtümer. Am Straßenrand Frauen, die ihre Opfer bringen, kleine Schalen mit Dingen des täglichen Bedarfs werden für böse und gute Geister direkt auf der Straße dargebracht, Schutzamulette auf Autos und Motorräder befestigt. Gleichsam faszinierend wie erschreckend: Unter welcher Angst, und Fremdbestimmung der Geisterwelt die Menschen hier leben.

Der Reisanbau ist aufwändig, das Bewässerungssystem ausgeklügelt. Wir bleiben stehen, gehen zu einem Bauern. Reiseanbau ist reine Handarbeit. Bis zu den Knien im Schlamm stehend jätet der Bauer jeden Unkrauthalm zwischen den Reispflanzen und legt den Bewässerungskanal frei.

Weiter geht es zum Meerestempel und dann noch zu einem Seeheiligtum. Nach zwei Stunden Fahrt durch die wolkenverhangenen Berge kommen wir in Lovina am Nordende von Bali an.


Tag sieben: Vulkan und Ostküste von Bali
Wieder schrauben wir uns auf engen Straßen durch dichten grünen Wald auf über 1000 Meter. Die Sicht auf einen noch aktiven Vulkan wird frei, allerdings durch Dunst und Wolken leicht getrübt. Mittagessen auf einer Terrasse mit Blick auf den Vulkan und den alten Kratersee. Immens, welch Kräfte diese Landschaft gestaltet haben.

Next Stop: Ein tropischer Garten. Man könnte hier überall stehen bleiben und meinen, man wäre bereits in einem tropischen Garten, aber wir fahren zu einem Stück Land, wo auch Wege durch die üppige Vegetation führen. Eigentlich ist es eine Kaffee-Plantage, doch hier wird Mischkultur beim Pflanzenanbau praktiziert. Zwischen den Kaffeepflanzen stehen „Stinkbäume“, Kakaopflanzen, wachsen Avocados, Mangostins, Ananas und viele für uns unaussprechbare Früchte. Bali hat keine Industrie. Die Menschen verwenden für ihre Arbeit kaum Maschinen, fast alles wird in Handarbeit erledigt. Eine alte Frau röstet Kaffeebohnen auf Holzscheiten, eine jüngere stampft die schwarzen Bohnen in einem Mörser, dann wird gesiebt, zum Schluss das Pulver aufgebrüht. Wir bekommen eine Kostprobe serviert, für mich zum Glück mit viel Zucker.

Am Abend landen wir wieder in einem wunderschönen Hotel. Für uns (noch) ungewohnt: Bad und WC sind unter freiem Himmel.


Tag acht bis zehn: Auf nach Gili Island
Wecker Nr. 1 läutet um 4:00 Uhr früh, Handyuhr eine Minute später und dann zerstört auch noch der Hotelweckruf die Nachtruhe. Wir wollen auf Nummer sicher gehen und keinesfalls verschlafen. Kurz vor 5 Uhr sitzen wir auch schon im Auto und fahren Richtung Flughafen. Hell wird es hier erst gegen sieben Uhr in der Früh. Dann beginnt auch das Leben in den Dörfern. Tausende Mopeds und Motorräder schlängeln sich auf den engen Straßen, Fahrtrichtungen spielen hier keine Rolle. Wo Platz ist, wird gefahren. Auf manchen Mopeds sitzen bis zu vier Personen, oder es ist mehr Gepäck angeschnallt, als in einen PKW passen würde.

Abflug mit einer kleinen Propellermaschine (Zum Glück lese ich erst später davon, dass alle Indonesischen Fluglinien auf der „Schwarzen Liste“ stehen). Nicht ganz dreißig Minuten dauert der Flug von Bali nach Lombok. Dort geht es mit dem Auto weiter zu einem Minihafen. Lombok macht einen ganz anderen Eindruck als Bali. Die Häuser haben keine Tempel, die Bevölkerung ist zu 90% muslimisch. Die Vegetation ist trockener.

An dieser Stelle müssen Petras Großtaten erwähnt werden. Hätte sie nicht einer italienischen Mama gleich, wortgewaltig ein Boot organisiert, würden wir sehr wahrscheinlich noch immer warten! Und etwas später gleiches mit unserem Hotelzimmer (sorry Hotelstelzenzelt).
Also Umstieg auf ein Schnellboot mit Sack und Pack. Drei 200 PS Yamha Motoren bringen das Boot fast zum fliegen. Unser Ziel ist Gili Trawangan. Die größte der drei Gili Inseln. Unser erster Eindruck: Wir sind auf einer Hippiekolonie mit Vierstern-Hotel-Charakter gelandet. Auf Gili gibt es keine Autos und kein Süßwasser. Ein Eselkarren bringt das Gepäck zum Hotel, unser Zimmer ist eine Art Zelt auf Stelzen, jedoch mit Balkon, Aircondition und einem Freiluftdusch- und Waschplatz. Aus den Rohren kommt Salzwasser. (Zähneputzen mit „Paradontax“-Zahncreme - das ist die mit Salzgeschmack - ist dagegen wie Zucker schlecken.) Von unserem „Hochbett“ führt eine schmale Leiter hinunter zum WC ins Freie. Beim Bau haben die Architekten offensichtlich nur fragile und zartgliedrige Indonesier vor Augen gehabt. Wohl genährte Europäer kommen hier schnell an die Grenzen der Physik.

Die Insel macht einen sehr relaxten Eindruck. Überall kleine Restaurants und Bars. Wir trinken hier auch die besten Capirinhas in Indonesien und das Essen ist vorzüglich, wenn man nicht gerade mexikanische Burritos bestellt.

Wir beschließen einen Schnorchelausflug zu den besten Riffpunkten aller drei Gili-Inseln zu wagen. Zwanzig Leute finden sich auf dem Boot gegen 10:30 Uhr ein und schon wenige Minuten später sind wir im Wasser. Die Strömungen sind so stark, dass wir unmöglich dagegen anschwimmen können. Innerhalb kürzester Zeit, treibt es uns mehrere hundert Meter über den Meeresboden, wie in einem Wildbach. Das Boot fährt uns hinterher und sammelt alle Schnorchler wieder ein. Alle? Eine Person ist abgängig! Voll Schrecken suchen wir die Wasseroberfläche ab. Weit und breit niemand zu sehen. Erst als wir mit dem Boot ein paar hundert Meter weitergefahren sind entdecken wir unsere abgängige Person. Offensichtlich ist der Franzose in eine besonders starke Strömung geraten. Das sollte aber nicht die letzte Schrecksekunde auf diesem Ausflug bleiben. Beim nächsten Schnorchelgang, am so genannten „Turtle-Point“, suchen wir einen abgängigen jungen Burschen für mehr als 10 Minuten, bis wir ihn im Meer endlich entdecken. Entschädigt werden wir durch die Begegnung mit drei riesigen Meeresschildkröten. Fast schon vergessen, dass unser Bootskapitän mit leerem Tank weg gefahren ist und dies ist erst auf offenem Meer nach Ausfall des Motors entdeckt hatte. Aber für 7,5 Euro war der kurze Trip vorerst richtig günstig. Oneway? Nein, wir wurden dann doch von mit Benzinkanistern ausgestatteten „Freunden“ gerettet.

Mittagessen auf Gili-Air, der kleinsten Insel. Hier ist alles ein bisschen schmuddeliger. Trotzdem entdecken wir hier ist der schönste Strand mit weißem Korallensand. Zurück vom Schnorcheln gibt es zum Abendessen natürlich frischen Fisch.

Dass wir bei der Rückfahrt von Gilli mit Koffer und Gepäck durchs Meer zum Boot waten müssen, haben wir vorher nicht bedacht. Vielleicht hätten wir uns dann andere Schuhe angezogen. Ebbe und Flut haben auch hier, wie überall in Indonesien, große Unterschiede. Leicht feucht erreichen wir unseren Flieger nach Bali zur letzten Station unserer Reise: Nusa Dua Beach.

Tag elf bis einundzwanzig: Relaxen

Donnerstag, 30. Juli 2009

Reisebericht Kasachstan

Bis vor wenigen Stunden war Kasachstan für mich das Synonym für „ganz wo anders“ und vor allem „keine Ahnung wo“, nun spult der Monitor in der Flugzeugkabine virtuell den Flug immer wieder ab. Frankfurt, Moskau, Astana. Fünfeinhalb Stunden und dann sollte ich dort sein, wo Europa endet und Asien beginnt, zumindest in den Köpfen der Menschen. Nach der fünfzehnten animierten 3D Wiederholung weiß ich nun genau wo Kasachstan liegt und dass es mindestens so groß sein muss wie der Rest von Europa.

Ich bat beim Einchecken um einen Platz am Fester oder am Gang. Bekommen habe ich einen schmalen Slot in der Reihe sieben zwischen einem Ehepaar aus Kasachstan um die 60 Jahre. Beide sehr freundlich ständig um ein Gespräch bemüht. Er spricht sogar zehn Worte deutsch. Unsere Diskussion über die großen Probleme der Menschheit hat sich dann aber doch nach 30 Minuten erschöpft. Also reden die zwei miteinander kasachisch, immer über mich in der Mitte hinweg, rücken von links und rechts immer näher an mich heran. Ich fühle mich „richtig wohl“, probiere die Augen zu schließen, um in eine Art hypnotische Flugstarre zu verfallen, aus der ich mich nach 5 Stunden hoffentlich selber wieder befreien kann.

Zumindest nach außen sichtbar klappt das sehr gut und so attestiert mein Sitznachbar kurz vor der Landung: „Du so still, meine Frau immer bewegen und schnarchen, oh!“.

5:30 Uhr in der Früh. Die Sonne blitzt durch die Häuserfluchten von Astana, der Flieger setzt auf. Was sich mir zeigt entspricht so gar nicht dem Bild meiner Erwartungen von in der Steppe lebenden Hirten. Wo bin ich da gelandet? Eine Stadt als Kreuzung von Las Vegas und Disneyland mit ein paar rumänischen Präsidentenpalästen dazwischen. Astana ist auf den ersten Blick eine klinisch saubere Modellstadt, am Reißbrett entworfen. Auf den zweiten Blick ist vieles noch Baustelle. Hinter den fertigen Fassaden ist er Ziegel noch roh. Nach außen wird hier geklotzt und nicht gekleckert. Hier sind einige Stadtplaner direkt von den Legosteinen auf Betonklötze umgestiegen und spielen Sims im realen Leben. Achtspurige Prachtstraßen, Pyramiden, kunstvolle Brücken eine Fantasielandschaft, wie sie in einem Vergnügungspark nicht schöner zu finden ist. Und schon bald soll das ganze um ein vielfaches größer werden, Million Menschen beherbergen.

Ich treffe Journalisten aus Frankreich, England, Spanien, Deutschland und Chile. Als Gruppe werden wir durch die Stadt chauffiert. Die Stadt bleibt Fassade. Wo sind hier die Menschen? Wo kaufen sie ein, wo leben sie, wie verbringen sie ihre Freizeit? Von außen kann man den Gebäuden, die teilweise die Gesetze der Schwerkraft aufzuheben scheinen, ihre Nutzung nicht ablesen: Pyramiden, Eier, Trichter, Kegel, schief und gerade, gigantische Gebäude wie Nester, oder ein Glassturz der gleichsam eines Biosphäre-Experiments Bäume, Straßen und Wohnungen beherbergt.

Stopp bei der großen Moschee. Natürlich ein Prachtbau. Platz für 5000 Gläubige. Wir treffen den Obermufti von Astana. Er sprich von einem toleranten Islam, von Friede und Verständigung unter den Religionen. Das selber etwas später beim Erzbischof Tomash Peta. Auch hier viele „fromme“ Worte. Doch wo wird Verständigung, Toleranz konkret, wo findet der Dialog zwischen den Religionen statt? Ist in dieser Stadt wirklich alles Fassade?

Apropos Fassade: Auf der Abtei außen ist ein riesengroßes Plakat vom Papst angebracht. Nein nicht Benedikt XVI., sonder Johannes Paul II. Obwohl man hier der Zeit voraus ist, scheint man bei manchen doch eher hinterher zu sei. Aber Rom ist weit!

Die Regierung stellt uns Dolmetscherinnen zur Seite. Sie wetteifern weniger mit ihren Übersetzungen, als vielmehr über die Höhe der Stöckelschuhe und Spitze der Absätze miteinander. Von nun an ist unsere journalistischer Blick auf die Schuhe der Frauen gerichtet. Unter sieben cm Absatzhöhe geht hier kein Frau auf die Straße.

Was den Frauen ihre Absätze, sind den Polizisten ihre Kappen. Ich glaube bei etwas stärkerem Wind können sie damit sogar fliegen.

Vor mir eine Pyramide, wie sie die alten Ägypter nicht besser hätten bauen können. Noch steht sie am Stadtrand von Astana, der elf Jahre alten Hauptstadt von Kasachstan. Aber schon bald soll sie sich im Zentrum dieser neuen „künstlichen“ Stadt befinden. Unterirdisch betreten wir Journalisten das gigantische Bauwerk. Sicherheitschecks wie am Flughafen. Dann geht es mit dem Schrägaufzug aus dem Keller hinauf zur Ebene sieben. Rund 70 Kameraleute, 100 Fotografen und rund 200 Journalisten drängen sich hier um die besten Plätze.

Die „Weltkonferenz der Religionen“ in Kasachstan beginnt: Raumschiff Enterprise next generation. Dieses Bild werde ich nicht mehr los. Hier sitzen sie also die religiösen Führer dieser Welt in ihren bunten Gewändern. Turban und Talar, Kutte und Kaftan. Das Bild aus der Scienc Fiction TV-Serie wird hier Realität. Meine Gefühle sind nicht klar: Zeigt sich hier Vielfalt und Tradition oder Eitelkeit und Macht? Ich tendiere zu Eitelkeit und Macht. Wie Politiker lassen sie sich viele hofieren, bemühen Unterhändler die zuarbeiten, geben sich teilweise unnahbar. Rundherum ein großer Medienzirkus.
Immer wieder kommen kasachstanische Sicherheitsbeamter auf uns zu. Jetzt dürfen wir filmen. Hundertschaften von Reportern stürzen sich die schmalen schrägen Gänge in der Pyramide hinab, bis zum Roundtable der Großen. Unten schicken dann andere Sicherheitsbeamte alle unverrichteter Dinge wieder hinauf. Ein Spiel, dass wir Journalisten noch ein paar Mal spielen dürfen.

Ich such mir einen anderen Weg, entziehe mich der informationssüchtigen Journalistenmasse und finde eine kleine offene Tür ohne Security. Pyramiden haben immer schon Geheimgänge gehabt. Es geht steil im Dunkeln bergauf. Ein paar Minuten später bin ich in der Glasspitze der Pyramide angekommen. Von hier hat man einen wunderbaren Blick über Astana, doch alles wirkt von hier noch konstruierter: Strassen, Wege, Bäume, Häuser. Alles steht an seinem Platz, einer höheren Reissbrett Ordnung folgend.

70 Meter tiefer versprechen die religiösen Führer dieser Welt einander Freundschaft und gegenseitige Anerkennung. Freude, Friede, Eierkuchen … alle Probleme sind gelöst zumindest hier, zumindest für wenige Augenblicke, denn dann verlässt die Iranische Delegation von Religionsvertretern den Saal, als Israelis sprechen.

Drei Tage gemeinsames Schleppen von Kameras und Equipment verbindet. Mehr als die Hälfte aller TV-Berichterstatter sind Video Journalisten. Zuerst sind es die lustigen Geschichten, von Verwechslungen am Flughafen, oder Pannen beim Dreh, doch dann hört man die Geschichten von viel Arbeit, von nie zu Hause sein, Stories von am Job zerbrochenen Beziehungen. Es sind intensive Tage. Ich habe das Gefühl schon zwei Wochen in Kasachstan zu sein. Bei der Konferenz treffe ich Interviewpartner aus Ankara, Istanbul und Damaskus, sie erkennen mich wieder, „wow, bin ich Polyglott“.

Besuch in der russisch orthodoxen Kirche in Astana. Fünf Kameraleute und vier Fotografen „stürzen“ sich auf sieben frommen Frauen in der Kirche. Die Andacht beginnt und bleibt durch unsere Präsenz doch recht unandächtig. Dennoch, die kleine orthodoxe Wochentagsgemeinde bleibt uns gewogen, singt tapfer die Litanei zu ende und zeigt uns nach dem Gottesdienst sogar die Baustelle ihrer neuen orthodoxen Kirche. Bombastisch, kitschig, riesig. Wie könnte es anders sein in Astana.

Aber endlich sehe ich, wo all die Menschen leben. Es gibt ein zweites Gesicht von Astana. Einen alten Teil, mit „echten“ Häusern, „echten“ Menschen. Hier gibt es Geschäfte, Verkehrsstau und Dreck. Eine ganz normale Stadt also.

Nächtliche Fahrt mit dem Taxi durch die Stadt. Der Taxifahrer hält unsere Journalistengruppe für verrückt. An jedem Fenster klebt einer mit einer Kamera und versucht die kunterbunte Lichtstimmung der Stadt einzufangen. Überall blinkt es, spielen die Farben auf den Hausfassaden, projizieren starke Projektoren bunte Bilder auf die Häuser. Alle 500 Meter machen wir einen Stopp, Stativ aufbauen, drehen, abbauen. Wir brauchen so drei Stunden für eine Strecke von 10 Minuten. Kommen erst um zwei Uhr in der Früh wieder zurück ins Hotel.

Um vier Uhr muss ich schon wieder zum Flughafen. „Schnell“ speichere ich meine Drehdaten, um zumindest eine Stunde zu schlafen. Am Flughafen ist kaum etwas los. Der Handgepäck-Scan ist versperrt. Ich setze mich davor und warte eineinhalb Stunden. Russische Ansagen, kasachische Schrift, die Hektik um mich berührt mich nicht. Dann werde ich doch etwas unruhig. Mein Flieger geht in 40 Minuten, warum kann man nicht zum Gate? Was ich nicht weiß, man muss über die Absperrung darübersteigen. Doch jetzt ist mein Gate nicht nur „abgesperrt“ sondern auch schon „closed“. Zum Glück erbarmt sich dann das Flughafenpersonal meiner und ich darf doch noch in Richtung Moskau und dann weiter nach Wien fliegen. Und noch eine Bemerkung sei mir erlaubt: Warum trinkt alle Menschen im Flugzeug Tomatensaft?

Mittwoch, 13. Mai 2009

Reisebericht Durban - Südafrika

Melde mich aus Durban, genauer gesagt aus Marianhill. Hier haben die Weißen schon vor mehr als hundert Jahren eine katholische Festung mitten in die schöne Landschaft Südafrikas gebaut. Ein bisschen steirisches Hügelland, ein wenig Wienerwald und dazwischen Perchtolsdorfer Heide mit vielen Schrebergartenhütten.

Den Flug oder besser gesagt die Flüge hatte ich ein wenig unterschätzt aber 10.000 km sind eben kein Spaziergang, auch nicht in der Luft. Wenngleich, nach keinem Flug hat man wirklich das Gefühl weit fort zu sein. Irritierend ist hier, dass die Sonne „falsch“ aufgeht. Das heißt in der Früh erlebt man eine rückwärts laufenden Sonnenuntergang und die Früh beginnt hier täglich wirklich früh, denn die Leute nutzen das Tageslicht wegen der Kriminalität. Die soll hier super hoch sein. Alle fürchten sich, haben Meter hohe Zäune, Eingangsschleusen und werden trotzdem ständig überfallen. Das heißt niemand geht vor oder nach Einbruch der Dunkelheit aus dem Haus.

Auch sonst Schauergeschichten an jedem Ort. Wenn man zum Beispiel vom Bankomaten abhebt, wird man bis nach Hause heimlich verfolgt und dann dort unter Anhalten ein Pistole seines Geldes entledigt. Habe daher noch kein Geld abgehoben! Selbst Tonnen schwere Kerzengießmaschinen werden hier wie Kugelschreiber gestohlen, wurde mir in der Missionsstation erzählt.

Am Sonntag war ich am Indischen Ozean. Meterhohe Wellen, gigantisch. Mehrere Stege lassen einen in „sicherer“ Höhe, von etwas weiter draußen, das Meer betrachten. Ich hab mir noch gedacht, woher wissen denn alle, dass die Wellen wirklich nur 7 Meter und nicht manchmal auch 9 Meter hoch sind. Kaum gedacht, kam auch schon eine 9 Meter hohe Welle. Kann nun sagen, dass ich nicht nur am, sondern auch im Indischen Ozean war. Meiner Kamera hat es weniger gut gefallen. Aber fünf Stunde Föhnwind, dank der Hilfe eines Hairdryers, haben dann kurz vor dem Schmelzen der Kamerahülle, wieder die Lebensgeister in die Kamera zurückgebracht.

Hauptziel meiner Berichterstattung ist Jambulani. Seit zwanzig Jahren betreut hier Sister Act III (Sr. Marco) arme Frauen und Kinder.

Untergebracht bin ich in der Pension „Tre Fontain“, super Küche, passable Zimmer, und beste Betreuung durch katholische Schwestern. Beim Abendessen findet sich täglich eine kurioses Mischung von Gästen ein. Da ist zum Beispiel der Italiener Roberto (84 Jahre alt). Er mietet seit zwanzig Jahren hier ein Zimmer und ist leidenschaftlicher Billiardspieler. Also ging es gleich am zweiten Abend entgegen aller Sicherheitswarnungen hinunter in die Stadt ins „Schlurf“. Ist noch viel schlimmer als es klingt. Roberto hat seinen Führerschein vor 65 Jahren gemacht und seither vergessen, dass es Geschwindigkeitsbeschränku

ngen gibt. Da macht sich vor allem bei den „speed reduction“ Schwellen bemerkbar. Für Roberto scheinen sie nicht zu existieren. Ich hingegen spüre sie noch immer im Kreuz.

Und dann gibt es hier noch einen alten Schotten. Vielleicht würde er im Rock besser aussehen, aber die kurze Hose sieht einfach wie eine Windel aus. Optisch sind eindeutig zwei Kanadierinnen der beste Anblick, fallen aber eher in die Kategorie „Kerzerlschlucker“.

Ab 17:00 Uhr ist es dunkel um 18:00 Uhr Abendessen, spätestens um 20:30 Uhr sind alle im Bett!

An jedem Eck ist hier ein Hilfsprojekt entstanden. 200 Jahre später versucht hier offensichtlich der Westen, ein wenig die Verbrechen der Sklaverei gut zu machen. Rund 4 Millionen Menschen leben rund um Durban. Meist arbeitslos, einkommenslos und perspektivenlos. Kaum jemand hat eine Idee oder Lösung wie man diesen Teufelskreislauf von Armut und Kriminalität durchbrechen kann.

Übrigens hat drei Kilometer vor Durban ein Österreichischer Architekt eine großen Hare Krishna Tempel gebaut. Täglich wird dort für etwa 1000 Bedürftige gekocht und mit Autos das Essen in die „Siedlungen“ gebracht. Am Sonntag war ich kurz dort.

Schön, dass man überall auf der Welt Bekannte Gesichter trifft. Zumindest bekannt aus Funk und Fernsehen. Stefan Krobath hatte ja auf seiner Weltreise eine Zivildiener in Südafrika interviewt. Ich kann mich noch recht gut an diesen Beitrag erinnern und traute meine Augen nicht, als ich Martin Teufel plötzlich auf der Straße sah. Er arbeitet nun hier als Sozialarbeiter und studiert nebenbei. Also ging es heute mit ihm hinaus in die Gegend und wir besuchten Kinderbetreuungseinrichtun

gen des Outreachcenters des St. Mary Hospitals. Zu Mittag gab es vom Lebensmittelgeschäft mitten im Nirgendwo Krapfen mit Extrawurst. Das ist hier eine Spezialität. (Muss man aber dazusagen, denn schmecken tut man das nicht).

Und noch etwas aufregendes habe ich gestern erlebt. Besuch bei einer Sangoma oder auch which doctor genannt. Die Frau hatte 120 Kg, wobei jede ihrer Brüste alleine über 30 Kg Gewicht beigetragen hat. Sie mischt Kräuter, braut Essenzen und rührt Salben. Zu ihr kommen Menschen um Diebesgut wieder zu finden, Verbrecher zu entdecken, oder auch Mörder, um sich von der anhaftenden Seele nach einem Mord zu befreien … . Übrigens hat sie ein Diplom vom Staat und darf vor ihren Namen den Titel Dr. tragen. Ich weiß nicht ob ihre Salben helfen aber kochen kann sie jedenfalls sehr gut.

Spannende Begegnung mit zwei Steirern. Das Ehepaar lebt seit 44 Jahren in Südafrika. Viele Gespräche drehen sich um die Zukunft des Landes. Aus der Sicht der Exilsteirer gibt es nun eine umgekehrte Apartheit. Nach wie vor zählt die Hautfarbe. Egal ob Südafrikaner oder nicht, jede Firma muss einen schwarzen Teilhaber haben, sonst darf in Südafrika nichts verkauft werden. Das Problem dabei: Es gibt kaum Schwarze mit genügend Kapital.
Apropos Wirtschaft: Korruption heute wie früher, nur: „Die Kuh wurde früher vorne gefüttert und hinten kräftig gemolken. Heute wird nicht mehr gefüttert, dennoch kräftig gemolken und dann wird auch noch das Fleisch aufgegessen“. Ein drastisches Beispiel, von Weiße hier in Südafrika gerne erzählt. Pater Georg von Marianhill, den ich zufällig treffe und mit dem sich ein spannendes Gespräch ergibt, besuche ich nochmals am Abend im Kloster. Er hat noch eine andere These zur Korruption. Die Tradition verpflichtet die Zulus einander zu helfen, Bitten von Freunden und Verwandten dürfen nicht abgeschlagen werden. Wenn Schwarze Betriebe übernehmen, werden sie oft um Hilfe angebettelt, der sie sich eigentlich nicht entziehen können. Also wird aus dem Kapital der Betriebe an die Freunde abgegeben, manchmal bis zum kompletten Ruin der gesamten Firma. Korruption als echter Freundschaftsdienst.

Tibetische Mönche scheint es überall auf der Welt zu geben. Auch in Jabulani schaute gestern ein tibetischer Mönch vorbei. Bescheiden, freundlich lächelnd. Weniger Gleichmut habe ich jedoch gezeigt, als ich mir gestern vor lauter Eifer beim Drehen unabsichtlich einen Vormittag Arbeit wieder gelöscht habe. Wie gewonnen so zerronnen. Das sind die Nachteile von Speicherchips. An das virtuelle, nicht greifbare, muss man sich erst gewöhnen. Das, was man jetzt nicht auf Film (den Speicherchips) sehen kann, war ein Ausflug mit Arno, einem Österreichischen Zivildiener des St. Mary Hospitals. Insgesamt sieben Wohnhäuser im Umkreis von 30 Autominuten wurden so adaptiert, dass tagsüber Waisenkinder betreut werden können. Jeweils drei Frauen sollten sich pro Haus mit etwa 20 Kindern beschäftigen. Unterstützt werden sie mit Equipment, Lebensmitteln und ein bisschen Geld. War sehr spannend in die verschiedensten Gegenden im Umkreis tiefer vorzudringen und in die Wohnhäuser zu schauen.

Habe übrigens den tibetischen Mönche gerade wieder am Flughafen getroffen. Der Arme, zwei freikirchliche Christinnen haben sie auf ihn gestürzt und ein „word bombing“ über „Christ the creator“ gestartet. Am Schluss war er fast getauft. Der arme Mönche, immer nur lächeln ist offensichtlich doch nicht der Weg wie man optimal durchs Leben kommt.

Afrika ist ganz anders. Wenn man so durch die Gegend fährt, bei den Leuten zu Gast ist, würde man als Europäer so viel sehen, rasch meinen zu wissen, wie es besser, schneller, einfacher, schöner geht. Doch wer hier versucht mit europäischen Modellen, Konzepten, Normen zu handeln und zu denken wird scheitern oder sich ein Leben lang ärgern. Nicht wenige Europäer laufen seit Jahren wie gegen Gummiwände. Aber auch die Afrikaner haben es schwer mit dem europäischen Erbe. Vieles wurde hier vor Jahren begonnen, dass aber offensichtlich hier keine Tradition hat. Schwierig! So viele Menschen machen sich ständig Gedanken wie es in diesem Land weitergehen kann. Europäischer Schaffensdrang und der afrikanische „way of life“ scheinen jedoch kaum kompatibel.

Mit „Lukas“ Bengale unterwegs nach Durban. Hier wird eines der größten WM-Stadien für nächstes Jahr gebaut. Eine gigantische Hängekonstruktion. Auf dem Rückweg nochmals Stopp bei den Hare Krishnas. Gemeinsam mit dem Chefkoch geht es in die „Townships“. An rund 1000 Hungrige soll heute Essen ausgeteilt werden. Selber hungrig bietet sich in der Nähe der „Hungry Lion“, ein „Fastfoodrestaurant“, für den Lunch an. Plötzlich stoppt die laute Musik über die Lautsprecherboxen und afrikanische Musik dringt vom Grill nach vorne ins Restaurant. Kunden warten vergeblich auf Bedienung, verlassen wieder das Restaurant. Zwischen Pommes und Burger proben die Angestellten für einen Chorwettbewerb in Durban. Die Band kommt von der CD, gesungen wird live, am Handy läuft die Aufnahme für den Bewerb. Als ich klatsche gibt es eine Zugabe. Hungrige Burgerkunden müssen für eine halbe Stunde warten. Jetzt wird gesungen und nicht gebraten.

Dreharbeiten bei Gloria in ihrem Haus. Die richtige Belichtung fällt mir schwer. Kaum Licht und nur schwarze Leute, dahinter überstrahlte Fenster. Stärker könnten die Kontraste nicht sein. Gloria arbeitet bei Sr. Marco in Jambulani. Das Haus hat ihr Sr. Marco gebaut. Jetzt erweitert Gloria für ihre Tochter auf Staatskosten und hat die Bauarbeiter im Haus. Hilfsarbeiter und Lohndumper aus Kenia. Einer ihrer Söhne musste jedoch eigens anreisen um zu Überwachen, dass keine Materialien an die Nachbarn verkauft werden. Diebstahl ist ein großes Problem. Was nicht festgekettet ist, wird abmontiert. Wasserhähne halten gerade ein Nacht. Türschnallen einen halben Tag. Supermärkte sind nicht betretbar, sondern haben ein großes Gitter, durch das die Wahre nach außen gereicht wird. Mitten in der schönsten Natur leben hier Menschen in erbärmlichen Käfigen. Türen, Fenster dick vergittert. Das Grundstück mit meterhohem Stacheldraht mehrfach umfasst.

Kaum kann sich jemand ein wenig erwirtschaften wird er überfallen, das Erwirtschaftete zerstört. Wer hier nichts hat, lebt am sichersten. Jambulani, die Hilfsstation die selber mehr als bedürftig aussieht und in der es letztlich kaum etwas zu holen gibt, wurde schon 11 x überfallen. Seit ein paar Wochen gibt es eine doppelte Eingangs-Schleuse. Um 15:30 Uhr verlassen dann alle gleichzeitig Jambulani, wegen der Sicherheit. Leider sind die ärmsten Menschen scheinbar auch die brutalsten, gemeinsten und hinterhältigsten. Von selig die Armen sehe ich hier keine Spur.

Überaus freundlicher Empfang in der Moschee. Eine spannende Freitagspredigt in englisch. Angenehme endlich einmal in einer Moschee etwas zu verstehen. Die Moscheegemeinde betreibt auch einige Hilfsprojekte: Ein Spital für Arme und täglich Essensausgabe zu Mittag. Ich werde eingeladen und esse mit in der Hoffnung, dass mein Magen halbwegs wohlwollend auch auf diese Art der Speisezubereitung reagiert.

Sie sind schon ein lustiger Haufen die Schwestern vom „Kostbaren Blut“ in Marianhill. Obwohl bunt zusammengewürfelt aus aller Herren Länder, dominieren doch die deutsch sprechenden Schwestern. Jede von ihnen, meist mehr als 30 Jahre in der Mission, hatte einen mehr oder weniger trockenen Scherz auf den Lippen. Keine Spur von strengem, geknechtetem Klosteralltag, zumindest nicht vor Gästen. Sr. Marco ist dann nochmals ein eigenes Kapitel für sich. Eine Mischung aus Sister Act, Mutter Teresa, Künstlernatur und Spitzbub. Ausflug mit ihr ins Naturreservat. Auf der Suche nach Giraffen und Nashörnern war ihr keine noch so „dirty road“ wild genug. Zum Glück hat es das Auto ohne Achsbruch überlebt.

Auf dem Weg zum Flughafen wird Sr. Marco dann doch nachdenklich. Auch sie denkt an die Zukunft. Wie wird es weitergehen mit Jabulani? Wirtschaftlich ist das Unternehmen nicht zu führen. Sie ist rein auf Spenden angewiesen und merkt, dass ihr die Kräfte ausgehen.

Auch in mir bleiben nach dieser Reise viele Fragen über. Zum Beispiel: Warum schaffen es Menschen immer wieder aus einem Paradies eine Hölle zu machen?