Ein Holzlager wie ein Käfig. Stehende Platten bilden undurchdringbare Wände, Latten formen ein Gitter, wie in einem Gefängnis. 2019 mutiert die Bühne vor der Burg Perchtoldsdorf zum Gut Serebrjakows in Anton Tschechows Theaterklassiker Onkel Wanja. Die einst mächtigen Wälder rings um das Gut sind jetzt zu Brettern verarbeitet. Der Schaffensdrang der Menschen hat hart eingegriffen in die Natur und den Lebensraum für Tiere und Menschen zerstört. Entstanden ist ein Käfig, aus dem es schwer zu entkommen ist. Ohne viel nachzudenken hat Onkel Wanja seine besten Jahre durchgearbeitet, um aufzubauen, Kredit abzuzahlen, um weiterzukommen. Aber wohin? Zum Nachdenken blieb keine Zeit.
Das ändert sich, als plötzlich Professor Alexander Wladimirowitsch und seine junge Frau am Gut auftauchen. Das Hamsterrad stoppt, die Erscheinung von Wladimirowitschs Frau wirft alle aus der Bahn. Die Figuren in Tschechows Theaterklassiker beginnen nachzudenken und zu begehren. Vieles am eigenen Leben scheint plötzlich sinnlos und vergeudet. Der Text wirkt wie heute geschrieben, ist aber 120 Jahre alt. Viel hat sich also nicht geändert. Regisseur Michael Sturminger bringt ihn in einer bearbeiteten Fassung auf die Bühne und steht vor einer großen Herausforderung. Denn wie zeige ich es, wenn sich Charaktere zu Tode langweilen, antriebslos Trübsal blasen und als Ausweg nicht den Schritt nach draußen, sondern nur zur Flasche sehen?
Tschechows Stück ist in der Inszenierung von Sturminger keine Komödie, auch keine, bei der einem das Lachen im Hals stecken bleibt. Es gibt nichts zu lachen. Die Figuren sind auch alles andere als schillernd. Die Kostüme sind farblos und fad und das Bühnen-Holzlager-Gefängnis ist gut gedacht, wirkt aber die ganze Aufführung hindurch wie ein Fremdkörper.
Eine Freiluftaufführung hat es freilich schwer. Da sind alle drei Minuten Flugzeuge, scheppert das Personal vom Cateringzelt, dröhnt in der Ferne ein Kühlaggregat und der Blick über die Burg, bis nach Wien hinein, hilft nicht gerade bei der Fokussierung auf das Geschehen. Wenn dann auch der Ton ständig Probleme hat und der eine oder andere Schauspieler nicht mehr oder nur noch verzerrt zu hören ist, haben es die Darstellerinnen und Darsteller schwer die Spannung zu halten.
Erst nach der Pause, wenn es ringsum finster ist und die Flieger in Schwechat gelandet, rückt die Bühne mehr ins Zentrum. Dennoch packt der packende Text in dieser Inszenierung wenig. Die Figuren wirken aufgesetzt, die Charakter gespielt, die acht Menschen auf der Bühne werden nicht zum Ensemble. Das Stück bleibt ein Stück, wird nicht lebendig. Der Zuschauer bleibt Zuschauer und taucht nicht ein. Und dennoch: Aufgabe erfüllt. Man verlässt den Perchtoldsdorfer Burgplatz mit dem innigen Wunsch nicht am Gut Serebrjakows zu laden und sich rechtzeitig mit der Frage nach dem Sinn auseinanderzusetzen.