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Foto: Reinhard Werner, Burgtheater |
Eine große Spiegelwand wird aus dem Schnürboden auf die Bühne abgesenkt und fortan kann man sich als Publikum stetig sehen, vielleicht auch hin und wieder erkennen. Manchmal braucht es die Hilfe von außen, um den Schritt auf die Seite, den Blick in den Spiegel zu wagen.
Davon handelt also der Alpenkönig und Menschenfeind von Ferdinand Raimund, der darin vieles über sein eigenes Seelenleben offenbart. Was da so leicht komödiantisch überzeichnet im Burgtheater auf der Bühne spielt, spiegelt festgefahrene Lebenssituationen vieler, die in ihrer Haut feststecken und sich hinter immer dicker werdenden Hornhautschichten verbergen. Alles wird stetig schlimmer, jeder bleibt bei seinen Mustern, das Leben wird unerträglich, auf Veränderung hofft man, hat aber jeden Glauben bereits daran aufgegeben. So groß auch die Pein ist, vor einem Aufbruch fürchtet man sich noch mehr.
Daher auch groß die Furcht vor dem Alpenkönig, dem unbekannten Zauberer, der verändern kann. Dämonisch blutverschmiert und dann wider liebenswürdig engelhaft zeigt er sich. 40 Jahre altern soll man, wenn man in sein Antlitz schaut. Vielleicht wird man auch nur 40 Jahre reifer, wenn man es wagt in seine Augen zu schauen und dort die eigene Seele erkennt. Doch warum nützt Herrn Rappelkopf der schon oft zuvor getane Blick in den Spiegel nicht? Vielleicht, weil das “ich” immer auch ein “du” braucht?
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Foto: Reinhard Werner, Burgtheater |
Im Burgtheater spielen Johannes Krisch und Cornelius Obonya sehr überzeugend, wenngleich die Facetten und Nuancen bei Obonyas Menschenfeind Rappelkopf im zweiten Akt leider etwas verschwinden. Die leichte Länge im Stück, von dem man bald ahnt wie es ausgeht, lässt sich auch durch noch so schnelles Wechseln zwischen inneren und äußeren Dialogen nicht beseitigen. Und im gehetzten Zerrissensein wird Obonya dann doch etwas langweilig, obwohl er sich windet, alle möglichen Verrenkungen vollzieht und hin und wieder über die Bühne springt.
Genial sind Regina Fritsch als Rappelkopfs Frau und Marthe Glühwurm sowie Johann Oest als Habakuk. Eine sehr positive Überraschung war die Musik von Eva Jantschitsch.
Sind Alpenkönig und Menschenfeind eine Person? Steckt in jedem Menschen ein Zauberer, der dämonisch verfluchen oder engelhaft retten kann? Aber warum nützen dann im ersten Akt die vielen Blicke in den Spiegel nicht, um dieses Potential zu erkennen? Zu sehen, dass Menschen nicht Diener ihrer Triebe, sondern Könige, Herrscher ihres Handelns sind. Ist es, weil das “ich” sich als "ich" nicht selbst erkennen kann? Es braucht also das “du” als spiegelndes Gegenüber und zwar ein "du", das ringt, das initiativ wird, das nicht nur schönredet, sondern durchaus unbequem und aktiv ist. Im Blick auf ein "du" kann also das "ich" sich erkennen und kann magische Veränderung beginnen. Und dieses du sollten wir uns gegenseitig sein.