Donnerstag, 9. Dezember 2010

Gezuckerter Wein - Crazy Punschstand!

Linkes Bein kurz anheben, Schultern hochziehen, Nasentropfen abwischen, mit dem rechten Fuß etwas Schnee zusammenschieben, vor Kälte schütteln. Als Punschstandbesucher erwartet man sich keinen Komfort. Zuerst verbrennt man sich am klebrigen Häferl die Finger und dann geht es viel zu rasch bergab mit der Temperatur. Von den Füßen her beginnt der Körper gefühllos zu werden. Doch man weiß bereits jetzt, dafür wird man am nächsten Tag mit einer doppelten Portion „Gefühl“ im Kopf belohnt.


Von hinten schieben Massen Richtung Ausschank, von vorne balancieren glückliche Menschen pro Hand vier Häferl an einem vorbei. Ein bisschen etwas landet immer am Anorak. Dazwischen Shopping-Vergnügen. Wer braucht all die Kerzen, Steine, Holzfiguren, Glasperlen und Seifen? Je altfatrischer die Wahren in den Hütten, desto dredlockinger die Verkäufer.


Doch irgendwie scheinen hier alle verzaubert. Wer würde unter normalen Umständen gezuckerten Wein trinken und dafür auch noch bezahlen? Wer ginge selbst im Sommer bei kühlen Temperaturen zu einer Stehung ins Freie? Und wer wäscht sich die Hände mit Seife, aus der ganze Zimtstangen , Gewürznelken und Lavendelblüten ragen?


Doch Weihnachten verwandelt die Welt. Das kleines Zauberwort „Punschstand“ macht es möglich. Da standen also gestern Tausende Menschen am Spittelberg, dicht gedrängt und taten all das, was man gemeinhin als verrückt bezeichnen würde. Zum Glück ist nicht alles rational in unserer Gesellschaft.

Mittwoch, 17. November 2010

Und noch ein Grund, warum der ORF immer weniger Seher hat.

Angenommen die Familie Huber hat bis vor einige Zeit die ORF Programme über analoges Antennensignal empfangen. Dann wurde auf DVB-T umgestellt. Die Hubers mussten handeln, wollten sie weiter fern sehen. Der freundliche Mitarbeiter im Mediamarkt hat Herrn Huber eine Satelliten-Empfangsanlage empfohlen. Weit über 80 Programme sollten jetzt die Hubers empfangen können.
Die Hubers sind mit ihrem neuen SAT-Spiegel aufs Dach gestiegen, haben die SAT-Schüsseln der Nachbarn angeschaut und ihren Spiegel ähnlich montiert. Mit dem Handy am Ohr hat Herr Huber am Dach justiert. Dann hat seine Frau vor dem Fernseher glücklich gerufen: „Super jetzt passt das Bild, 83% Signalstärke, toller Empfang, alles palletti“ RTL, SAT1, ZDF, ARD, und weit über 80 Programme sind gut empfangbar, gute Bild- und Tonqualität. Leider sind ORF1 und ORF2 nicht dabei. Die Hubers verstehen das nicht, ist doch der SAT-Spiegel offensichtlich richtig und gut ausgerichtet, wie bei den Nachbarn.
Frau Huber ruft bei ORF-Digital an und erfährt, dass es drei Stunden dauern kann, bis die ORF-Digital Karte freigeschalten ist, erst dann kann der ORF empfangen werden. Außerdem muss für die Freischaltung noch eine Gebühr bezahlt werden, so wie für das Telefongespräch. Die Hubers denken, sie zahlen doch bereits ORF Gebühren, ein leichter Ärger kommt auf, man will sich aber die Freude über die neue SAT-Anlage nicht vermiesen lassen und wartet. Doch der Bildschirm bleibt bei den ORF Programmen schwarz. Auch nach fünf Stunden. Neuerlicher Anruf bei der Helpline von ORF-Digital. „Die Karte umdrehen, machen Karten müssen verkehrt in das Gerät geschoben werden“, sagt die freundliche Stimme. Auch das bringt keine Lösung.
Der TV-Abend wird ohne den gewohnten ORF verbracht. Die Hubers entdecken neue Sender, finden es toll, dass es so viel unbekanntes Angebot gibt. Nach ein paar Tagen, neuerlicher Anruf bei der Helpline. Noch immer kein ORF empfangbar. Jetzt erfahren die Hubers, dass ihre SAT-Anlage schlecht aufgestellt ist. Das können die Hubers aber nicht glauben, funktioniert doch alles bis auf den ORF einwandfrei. Und doch: Der freundliche Mitarbeiter von ORF-Digital erklärt, dass eben der ORF eine besonders exakte Einstellung der Schüssel benötigt, wegen des „schwachen“ Signals. Das ist zwar technisch nicht richtig erklärt, aber die Hubers verstehen das und wollen nachjustieren.  Herr Huber steigt nochmals aufs Dach. Doch jetzt beißt sich, bildlich gesprochen, der Hund in den Schwanz. Zum genaueren justieren müsste man jetzt ein ORF Bild empfangen können, das geht aber nur, wenn die Digital-Karte ihre Verbindung zum Satelliten aufgenommen hat. Dafür ist aber wiederum eine exakt eingerichtete SAT-Schüssel und viel Zeit zum Initialisieren Voraussetzung.
Wieder ein Abend ohne ORF. Nach einer Woche gewöhnen sich die Hubers an die anderen Programme. „Tatort“, Filme und auch die gewohnten Serien kann man ja auch bei den deutschen Sendern sehen.
Ein letzter Versuch. Frau Huber frägt beim Elektrogeschäft im Ort nach. Ja, man könne die Schüssel am Dach exakt einstellen. Kosten so um die 200 bis 300 Euro, denn so wie der Herr Huber das aufgestellt hat, „könne man es auf keinem Fall lassen. Da braucht es dann auch noch einen Spengler und … „ Frau Huber verlässt das Geschäft, ärgert sich über den ORF und die Familie verbringt zukünftige TV-Abende ohne das Fernsehprogramm des Österreichischen Rundfunks.

Dienstag, 16. November 2010

Buried - Lebend begraben

Zum Glück macht man sich über so manches keine Gedanken. Und dann erreicht es einen plötzlich doch. Zum Beispiel konfrontiert einen die PR-Maschinerie des Kinofilms "Buried - Lebend begraben" damit, sich auszumalen wie es wäre, fände man sich plötzlich in einem engen Sarg, einige Meter unter der Erde wieder. Bis jetzt bin ich gerne in Höhlen, Tunnel und Grotten gekrabbelt, die unerforschte "Unterwelt" hatte eine große Anziehungskraft auf mich. Doch seit gestern, werde ich dieses beklemmende Gefühl der Ausweglosigkeit fast nicht los. Nicht einmal umdrehen kann man sich in so einem Sarg. Es hat schon einen Grund, warum so eine Kiste für Tote und nicht für Lebende geschaffen wurde. "Wenn man es will, dann schafft man es auch". Diesem Credo setzen ein paar Tonnen Erdreich über einem und ein paar Holzbretter links und rechts, eine unüberwindbare Barriere entgegen. Sich der Ausweglosigkeit stellen, das letzt Scheitern im Blick haben, nichts mehr tun können. Wahrlich kein gutes Gefühl. Und dennoch ist es das, was uns letztlich alle erwartet, die totale Ohnmacht. Nicht alles kann man, wenn man es nur will, überwinden. Oder doch?

Samstag, 30. Oktober 2010

Resebericht Kerala - Indien

Millimeterarbeit

Auf der Nepal-Karte ist der Weg als „Araniko Highway“ bezeichnet. Vielleicht wird er das einmal, wenn in Jahren die Bauarbeiten abgeschlossen sind. Derzeit schaut es eher nach planlosem Löcher graben aus. Zwischen Baggern, Hügeln und Gruben schieben sich Mopeds, Lastwagen und wir, in einem Jeep, durch die Dörfer. Wir das sind Vertreter von SOS-Kinderdorf Österreich, Mitarbeiter von SOS-Kinderdorf Nepal und ich. Sechs mal sind wir nun schon diesen Weg zwischen Kavre und Katmandu gefahren. Ein paar Kilometer nur, für die wir aber mehr als eine Stunde benötigen. Doch es geht nichts über Präzession: Nur wenige Millimeter trennen unsere Karosserie von allem möglich anderem.

Eingestaubt

Fast das ganze Leben hier spielt sich links und rechts von dieser „dirty road“ ab. Rund vier Millionen Menschen leben in und rund um Katmandu, der Hauptstadt von Nepal und es scheint so, als wäre jeder doppelt auf der Straße. Es staubt und die Dieselmotoren hüllen alles in schwarze Rußwolken. Wie es die Menschen hier schaffen ihre Kleidung stets so farbenfroh zu halten bleibt mir ein Rätsel. Mich jedenfalls überzieht nach einem halben Tag eine dicke Staubschicht.

Am Straßenrand treffen wir eine Frau die hier ein Gemüsegeschäft betreibt. Eigentlich ist ihr Geschäft auf der anderen Straßenseite. Doch der Laden steht leer. Ihr Gemüse hat sie auf dem Boden ausgebreitet. Die Leute kaufen hier lieber direkt vom Straßegraben, sagt sie uns. Um vier in der Früh ist sie bereits zum Großmarkt unterwegs und besorgt mit dem Taxi frisches Gemüse und Obst für ihr „bodenständiges“ Straßengeschäft.

In den Kinderdörfern sind wir Ehrengäste. Spalier, herzliche Begrüßung, Tanzvorführungen, Präsentationen und Ehren-Ring-Überreichungen an langgediente Mütter stehen jeweils auf dem Programm. Danach gibt es gutes Essen. Auch hier gilt: Die Nepalesen machen alles gerne auf dem Boden. Auf der Wiese hinter dem Festplatz werden die Zutaten zubereitet und danach alles in 150-Liter-Töpfen gekocht. Vielleicht sollte ich nicht überall dahinter schauen. Ich vergesse die Eindrücke meiner neugierigen Blicke und lassen mir den Appetit nicht verderben. Traditionell wird mit den Fingern gegessen. Wir bekommen jedoch Besteck.

Röter geht’s nimmer!


Nicht weit vom Kinderdorf Sano Thimi liegt Bhaktapur, ein 800 Jahre alte, gut erhaltene Tempelstadt. Kurzer Abstecher zu dieser Touristenattraktion. Magische Anziehungskraft auf die Besucher hier hat einer der ältesten Tempel. Hunderte Fotoapparate klicken und lichten ab, was sonst nur in schmuddeligen Rotlicht-Bars zu sehen ist, hier allerdings öffentlich auf Steintafeln und Holzschnitzereien, schon seit Jahrhunderten. Ob die Menschen wegen der Hitze, oder der pikanten Darstellungen so stark erröten?

Das „Nirvana“ als Ziel

Unser Ziel ist das Hotel „Nirvana“ und wir fliegen mit „Buddha Air“. Also wenn da nicht das Herz eines Religionsjournalisten höher schlägt! Die kleine Maschine huscht noch schnell vor einem großen Brummer auf die Landebahn und schnell wird Katmandu kleiner, leiser und bekommt Struktur von oben. Hinter den Wolken werden die ersten Spitzen des Himalaja-Gebirges Sichtbar. Hinter mir im Flieger sitzt ein Nepalfan, er benennt jeden der hunderten Sieben- und Achtausender-Gipfel. Anerkennende Blicke der Mitreisenden sind im sicher. Ein sehr Eindrucksvolles Erlebnis so nah am „Dach der Welt“ vorbei zu fliegen.

Lubini ist eine Bio-Sauna. Aufguss während der Regenzeit. Jetzt dampft es noch ein bisschen nach. Unmittelbar neben dem Flughafen steht das neue Kinderdorf. Von Minute zu Minute scharren sich mehr Polizisten mit schweren Waffen rund um das Dorf. Ich erfahre, dass der nepalesische Präsident erwartet wird. Die Temperaturen steigen und zum Glück trage ich keinen dunklen Anzug und auch keine Krawatte, so wie viele andere, die so aussehen, als kämen sie gerade aus der Dusche.

Durchbruch des Sicherheitswalls

Das Protokoll in Nepal verlangt die höfliche Anrede aller Ehrengäste. An diesem Vormittag höre ich die lange Liste aller „most honorable“ Personen bestimmt zehn mal. Jede Rede beginnt und endet mit dieser Aufzählung. Und dann ist das Kinderdorf nach Stunden eröffnet. Der nepalesische Präsident schaut etwas grimmig drein, dennoch durchbreche ich den Sicherheitswall seiner Bewacher und mache zum Erstaunen der Securities beim Mittagessen ein Kurzinterview mit ihm. Manchmal hat es auch einen Vorteil, wenn man die Sprache in einem Land nicht versteht. All die Verbote und Zurückweisungen habe ich so gar nicht mitbekommen.

Waffen und Käsefüße

Bhairahawa, so heißt die Stadt in der wir nächtigen. Neben dem nepalesischen Präsidenten ist auch den „Governor of Tirol“ angereist. Mehrere Polizisten werden für Ehre und Schutz des ausländischen Gastes abgestellt. Mit den Waffen im Anschlag und schweren Stiefeln umkreisen sie unser Hotel „Nirvana“. Allerdings nur solange, bis ihr Vorgesetzter sich in eine Hotelsuit zurückzieht. Um halb eins in der Nacht wird die Hotelhalle dann nur noch mit Hilfe von starken Geruchsstoffen bewacht. Die Polizisten haben ihre Schuhe ausgezogen und schnarchen fest auf den Couchen in der Lobby, die Finger natürlich im Abzug an den Waffen. Ich sitze gegenüber, versuche Emails zu beantworten und fürchte ein Ereignis, dass den friedlichen Schlaf unserer Bewacher stören könnte, eine unvorsichtige Bewegung und es besteht berechtigte Angst wirklich im „Nirvana“ zu landen.

Und dann betritt tatsächlich eine obskure Gestalt gegen halb zwei die Hotellobby. Stellt sich hinter mich und tut so, als ob sie noch nie einen Laptop gesehen hat. Als nur noch 15 cm Abstand zwischen Fremdem und meinem Monitor sind, klappe ich zu und gehe auf mein Zimmer. Die Soldaten schlafen friedlich weiter.

Die Anzahl der Kellner toppt die der Polizisten. Dennoch: das Frühstück dauert. Dann bekommen wir gebackenes Gemüse mit Chilli. Ganz mein Geschmack.

Singende Kinder und schwingende Brücken

Drei Stunden geht es nun mit dem Auto nach Bharatpur, in ein weiteres der sieben Kinderdörfer in Nepal. Die Landschaft ist faszinierend. Giftgrüne Reisfelder und kaum ist man um die Kurve, Müllhalden und staubige Dörfer, um so gleich wieder in üppiger Landschaft zu landen: Gegensätze und starke Kontraste. Ein Brücke bringt uns an das andere Ufer über einen der größten Flüsse Nepals. Unter uns wird Schotter und Sand gewonnen, daneben baden Ochsen und Kinder. Ich versuche eine Videoaufnahme, doch die Brücke schwingt so stark, dass eine Aufnahme unmöglich ist. Endlich am anderen Ufer, erreichen wir sogleich das Kinderdorf. Wieder herzlicher Empfang, Spalier, Begrüßung und vorzügliches Essen! Die Kinder haben eine tolle Show einstudiert. Ein wunderbar kurzweiliges Programm aus Trachtenschau, Tanz, Musik und Ansprachen und ein Landeshauptmann aus Tirol, der für die Kinder Jodeln muss.

Tiroler Delegation und SOS-Betreuer verlassen mich nun Richtung Katmandu. Ich entscheide mich für einen weiteren Drehtag in Lumbini und steige in den Bus. Mit dieser Fahrt, kann keine noch so tolle Attraktion in einem Vergnügungspark mithalten. Auf der Rückfahrt von Bharatpur, Einbruch der Nacht auf halber Strecke. Auf der Straße hunderte unbeleuchtet Radfahrer, Kühe, Ziegen und Hunde. Alle paar Kilometer hat ein LKW oder Bus eine Panne. Davor sitzen die Menschen einfach mitten auf der Straße und warten, vielleicht auf Licht? Um die Spannung zu steigern, ab und zu tiefe Schlaglöcher und Felsen. Das einzige was bei vielen Gefährten wirklich funktioniert ist die Hupe.

Von Drahteseln und deren Entmannung


Fahrräder sind hier nicht nur Drahtesel, sondern wahre Lasttiere. Baustämme, Felsen, Heu und Reis, alles wird voll Kreativität auf das bisschen Metall mit zwei Gummireifen gepackt. Überhaupt, bei den Fahrzeugen herrscht hier der Hang zur Fantasie, Indien lässt bei der Bemalung der LKWs „grüßen“. Wichtigste Aufschrift: „Please Horn“.

Ich „spiele“ übrigens mehrfach „Kotan“. Immer wieder überholt knapp am Auto ein Fahrrad. Wir bleiben stehen, ich öffne die Tür und wie aus dem Nichts, …. schon wieder habe ich Fahrrad und Fahrer voneinander getrennt. Zum Glück ist nichts passiert. Die Nepalesen sind in vielen Belangen sehr zäh!

Morgenstund hat Gold im Mund

Ich überwinde mich bereits kurz fünf Uhr in der Früh das Bett zu verlassen und gewinne einen neuen Eindruck. Die Menschen sind hier schon alle wach, nützen die Kühle des Morgens für ihre Arbeiten.

Morgenmesse bei den „Sisters of the Cross of Chavanod“. Sieben Schwerstern und Pater Sebastian feiern in einem kleinen Zimmer Gottesdienst. Danach machen sich die Schwerstern auf in die Schule und in das von ihnen betriebene Behindertenheim. Viele Katholiken gibt es hier nicht. Obwohl die Schwerstern schon zwanzig Jahre vor Ort tätig sind, gibt es in der Stadt nur eine katholische Familie. Pater Sebastian zeigt mir seine Kirche. Eine große Halle, die mehr oder wenige leer steht. Nur zu Ostern oder Weihnachten kommen die Leute, meist aus Neugier.

Sonntag, 25. Juli 2010

Reisebericht Venezuela

Gleich durchmachen oder doch noch kurz schlafen gehen? Das ist die Frage, die wir uns nach zwei Uhr morgens stellen. Egal wie viel Zeit man sich für die Reisevorbereitungen nimmt, es geht sich immer gerade auf die letzte Minute aus und manchmal auch nicht.

Wie immer entwickelten wir am Tag unserer Abreise ungeheure Kreativität Projekte aus den letzten Monaten doch noch fertig stellen zu wollen und gleich noch weitere neue zu beginnen. Und diesmal sind es nicht Video-Schnitte, die ich bis zum Hupen des Flughafentaxis durchführe. Nein, ich lernen dazu und habe es nicht gewagt so kurz vor dem Abflug noch einen PC einzuschalten. Dafür habe ich „wichtige“ offene Einkäufe der letzten Wochen erledigt und einen Zaun im Garten gebaut, Gras gesät, Werkstatt aufgeräumt, ... Petra begann mit einer gründlichen Speisekammerinspektion der anschließend eine fundamentale Aufräumaktion folgte und dann wollten wir ja auch noch den Dachboden zusammen räumen und einige Sträucher verpflanzen … alles ganz wichtige Dinge vor einer Reise nach Venezuela.

Einzig Julia hat bereits gegen Mittag den Inhalt ihres Zimmers rund um einen Koffer im Wohnzimmer ausgebreitet. Seither besteht unsere Wohnung aus nicht mehr passierbaren zwei Teilen.

Also kurz Zusammengefasst: Meinem Koffer widme ich mich erst weit nach Mitternacht und kurz vor unserem Abflug. Und ich entscheide mich doch noch für einen kurzen Schlaf. Petra zieht das Grübeln der Erholung vor und während ich selig ein paar Minuten träume, macht sie kein Auge zu.

Ich bin Optimist!
Daher glaube ich nach 41 Lebensjahren noch immer, dass man auch in zehn Minuten all das erledigen kann, für das man bisher noch nie kürzer als 45 Minuten gebraucht hat. Um 4.49 Uhr macht uns der Taxifahrer nicht gerade freundlich auf unsere Verspätung aufmerksam. Insgesamt ist Zeit ja sehr unfair aufgeteilt: Jetzt fehlt sie uns, um dann in Frankfurt fünf Stunden im Überfluss zur Verfügung zu stehen.

Jedenfalls Zeit vergeht und verändert die Dinge: Einst waren es Tabletts mit Butter, Eierspeise und mehr Verpackung als Essen, die man in den Fliegern zum Frühstück bekam, so ist nun der Nachfolger des späteren „Lufthansaweckerls“ ein trockenes pures und ehrliches Do&Co Kipferl. Im Mund wird es zu einer kaugummiartigen Kugel, mit der man sehr wahrscheinlich Öl-Bohrlöcher stopfen könnte.

Blitzbesuch in Frankfurt
Die knappen fünf Stunden Transferzeit in Frankfurt wollen wir nicht am Flughafen verbringen. Also starten wir einen Blitzbesuch in die Frankfurter Innenstadt besuchen Fußgängerzone, Liebfrauenkirche, Dom und Main und erstehen nebenbei Season III von „Prison Break“. Statt der hessischen Spezialität „Ebbelwei Gickle“ entscheiden wir uns beim Mittagessen für „landestypisches“ Nan-Brot, indisches Masala, Pappadum und Lamm. Eigentlich wird es knapp mit der Rückfahrt zum Flughafen, aber im Urlaub soll man sich Zeit zum Essen nehmen.

In Frankfurt gelte ich ja als potentieller Sprengstofftransporteur. Wie das „Amen im Gebet“ folgt auch diesmal für mich nach dem Sicherheitscheck der Sprengstoffcheck. Man muss ja gleich viel weniger warten, wenn man knapp zum Flugzeug kommt.

Sehr wahrscheinlich wurde die Condor-Maschine noch kurz vor Abflug zu heiß gewaschen. Nur nach starken Verkrümmungen passe ich in den Sitz. Ich freue mich auf die kommenden 11 Stunden!

Ein paar lustige Schweizer und eine deutsche Studentin bieten ein wenig Abwechslung vom Sitz-Schmerz. Mit Rum, den sie heimlich an Board geschmuggelt haben, verdünnen sie jedes Cola und Bier, werden zunehmend lauter, um dann nach sechs Stunden Flug vollkommen „abzustürzen“. Zum Glück gibt es in jeder Sitztasche ein „Speibsackerl“.

Vierundzwanzig Stunden unterwegs
Jetzt sind wir fast vierundzwanzig Stunden unterwegs und unter uns sieht man bereits die Lichter der Isla Magarita. Sanfte Landung. Am Flughafen durchwühlen Sicherheitsbeamte die Koffer von Mitreisenden. Meinen Koffer muss ich nicht öffnen, denn das ist er bereits. Sein Verschluss hat den Flug nicht überstanden, es scheint jedoch nichts zu fehlen. Wir passieren ohne Probleme die Security und fahren zu unserem Hotel, einmal quer über die Insel. Mein neuer Stil einen Koffer zu tragen verwundert Umstehende sehr.

Eine riesige Hotelanlage liegt vor uns. Die Dunkelheit verstärkt die Orientierungslosigkeit. Mehrere Restaurants, verschiedene Bereiche, Pools, Bars. Unser erster Eindruck: Wow!

Am Tag eins nach Ankunft geben wir uns ganz dem „All inclusive“ hin. Üppiges Frühstück, üppiges Mittagessen, üppige Snacks und üppiges Abendessen … wenn das so weiter geht, brauchen wir für jeden von uns zwei Sitzplätze beim Rückflug. Der Strand ist wie auf einer Postkarte, riesig, weiß und mit Palmen. Caipirinhas an der Strandbar im Überfluss.

Hinauf in den Regenwald
Nach zwei Tagen nichts tun, drängt es uns hinauf in den Regenwald. Um 6.45 Uhr machen wir uns auf zur Bergtour mit einem einheimischen Führer. Wir starten etwa auf Meeresniveau. Die Vegetation ist steppenartig, Gras und ein paar kleine, dornige Sträucher, Steine. Doch schon nach hundert Höhenmetern ändert sich die Landschaft total. Die Sträucher überragen uns bereits, es wird grüner, saftiger. Umgekehrt zu Österreich, wo oben die schroffen Felsen ragen und unten die grünen Bäume stehen. Auf unserem Weg zum Regenwald am Berggipfel auf ca. 450 Metern ändert sich nun alle hundert Höhenmeter der Bewuchs und die Akustik. Jede Zone hat ihre Tiere die ordentlich Lärm machen. Still hingegen sitzen die Taranteln in ihren Pflanzen links und rechts an unserem Weg. Die Anstrengung des Weges lässt und schwitzen, obwohl die äußere Temperatur merkbar abfällt. Unglaublich, dass auf so wenig Höhenmetern so unterschiedliche Klimazonen existieren. Nach vier Stunden Aufstieg mit ein paar Pausen, haben wir es geschafft. Riesige Bäume mit Luftwurzeln, üppigste Pflanzen mit immensen Blättern versperren jeden Blick auf den Himmel. Ein nahezu undurchdringbares, grünes Dach breitet sich über uns aus. Wir sind im Regenwald am Berggipfel angekommen. Hier fangen sich die Wolken und regnen in heftigen Güssen aus. Wir bleiben jedoch trocken. Früher haben Menschen Teile diese Urwalds bewirtschaftet. Im Schatten der riesigen Bäume wurde Kaffee und Kakao angepflanzt, erzählt uns unserer Führer. Dann suchen wir uns Früchte, trinken aus Kokosnüssen und schwingen uns an Lianen hängend durch den Wald. Doch es heißt geben und nehmen und so werden wir selber auch zur Nahrung - für hungrige Moskitos.

Ein paar Tage relaxen wir nun schon im Hotel. Der Strand fasziniert uns. Obwohl jeder Küstenabschnitt in Venezuela öffentlich ist, kommen an „unserem“ mehr als einen Kilometer langen weißen Sandstreifen kaum Leute vorbei, auch die Hotelgäste sind hier kaum präsent. Und so sind wir relativ alleine beim Spielen mit den Wellen.

Das Fatima Lateinamerikas
Heute wollen wir die Insel umrunden. Erster Punkt unserer Besichtigungen ist der Wallfahrtstort El Valle. Ein kleiner Ort mit einer noch kleineren Kirche. Dennoch, er wird als das „Fatima Lateinamerikas“ gehandelt. Vor uns war auch schon Papst Johannes Paul II. hier. Der Stuhl auf dem er für fünf Minuten gesessen ist, wird seither als „Heiliger Stuhl“ verehrt, hunderte Blumen werden täglich davor abgelegt. Dass der „neue“ Papst Benedikt heißt, hat sich bis hierher noch nicht herumgesprochen. Die Kirche wird nicht geputzt, sondern ständig neu gestrichen, auch eine Methode, die Dinge sauber zu halten.

Austerndinner in den Salzwassermangroven
Für uns geht es weiter in die Salzwassermangroven zwischen Isla Margarita und Isla Macanau. Zwei Stunden kurven wir mit dem Motorboot durch enge überwachsene Kanäle, brechen uns Austern von den Mangrovenwurzeln und halten unser erstes Austerndinner. Wir sind uns einig: Das waren nicht unsere letzten Austern! Der kulinarischen Genüsse nicht genug, essen wir beim Verlassen der Mangroven dann auch noch die besten Empanadas der Welt, mit herrlichen Saucen – der Straßenstand außen pfui und innen hui!

Etwas später ist Bildung angesagt. Die Universität hier betreibt ein Meeresmuseum mit angeschlossenem Aquarium. Klein aber fein. Wir trauen uns unbekanntes Meeresgetier (Schnecken, Würmer, Egel, Igel und Sterne) aus dem Wasser zu fischen und anzugreifen.

Dann umrunden wir noch die „Insel“ Macanau, die durch eine Sandbank mit Margarita zu einer Insel zusammengewachsen ist. Fantastisch sind die verschiedenen Klimazonen hier. Margarita ist ganz grün und tropisch, Macanau, nur wenige Kilometer daneben, karge Steppe.

Das Günstigste auf der Insel ist neben Benzin Alkohol
Es ist unvorstellbar, dass Tage auf der Insel ohne Cocktail enden, also prosten wir uns mit Cola Rum zu. (Mit der Information, dass Rum hier billiger als Cola oder auch Wasser ist, kennt man auch schon die Mengenverteilung.) Alkoholsucht ist hier anscheinend ein echtes Problem. Dennoch, Herumtorkeln oder Grölen ist hier auch unter Jugendlichen nicht schick, obwohl die Menschen wirklich viel trinken.

Rund 400.000 Menschen leben auf Isla Margarita und es ist interessant beim Durchqueren der Ortschaften ein wenig in die Häuser zu blicken. Wunderschöne gepflegte Grundstücke neben echten Bruchbunden. Sehr einfache Räume bloß mit einem Sessel und einer Hängematte ausgestattet, neben geschmackvollen Wohnzimmern voll von Möbel und Kunstwerken. Da Häuser hier meistens keine Fenster, sondern nur Gitter haben, ist Voyeurismus vorprogrammiert .

Kreuzerl am Wahlzettel
Für das richtige Kreuzerl am Wahlzettel bekommen hier die Menschen viel, so erzählt man uns, von Autos bis zu neuen Häusern als „Wahlzuckerl“. Das Sozialsystem ist auf der Insel sehr gut ausgebaut. Schule und medizinische Versorgung ist für jeden komplett gratis und am letzten Stand. Überhaupt übernimmt der Staat hier eine gewisse Grundversorgung für alle. Das spornt viele nicht gerade zu Höchstleistungen an, „man bekommt es so oder so“, erzählt man uns. Benzin zum Beispiel wird vom Staat quasi verschenkt. Ein voller Tank mit 50 Litern kostet 1,20 Euro. Offene Stellen gibt es hier auf der Insel genug, aber nur wenige Menschen, die einen Job wollen oder brauchen.

Auch für den Urlaub scheint der Staat zuständig zu sein. Viele Kinder und Jugendliche aus Venezuela werden organisiert in Gruppen in den Hotels der Insel für ein oder zwei Wochen untergebracht und betreut, gratis!

Die schönsten Frauen der Welt?
Leider scheint das mit den schönsten Frauen der Welt, die angeblich aus Venezuela kommen sollen, eher ein Gerücht zu sein. Es hat hier zwar fast jede Frau einen stolz vor sich hergeschobenen Silikonbusen, das Geld hätte aber besser in eine Fettabsaugung investiert werden sollen. Frauen unter 90 kg sind hier rar.

Nasser als nass am Fischerboot
Wir besteigen ein Fischerboot. Durch diese Prozedur sind wir bereits nass, bevor wir auch nur eine nautische Meile zurückgelegt haben. Dann hebt sich das Vorderteil des Bootes aus dem Wasser und fliegt mehr als es fährt an der Küste entlang. Was bis jetzt noch trocken war, ist nun durch Spritzwasser getränkt, vor allem weil unser Kapitän große Freude an scharfen Kurven hat. Will er wirklich das Boot heute noch versenken oder uns von Board schleudern? Es kommt auch noch Wasser von oben dazu. Ein heftiger Schauer erinnert uns daran, dass wir das Land eigentlich zur Regenzeit bereisen. Wir fahren den dunklen Wolken davon und landen auf einer kleinen Strandzunge zwischen romantischen Felsen. Ja, so lässt es sich leben.